Dienstag, 12. Februar 2013

Sexuelle Belästigung - Strategien für Frauen

'Zeig mir die Frau, die noch nicht sexuell belästigt worden ist' soll kürzlich eine Journalistin gefragt haben. Die gegenwärtig - wiedermal - aktuelle Debatte über sexuelle Belästigung von Frauen ist müssig, denn ändern tut sich erst was, wenn wir Frauen uns getrauen, zurückzuschlagen.


Heute tun wir das oft nicht, weil es leider nach wie vor Tatsache ist, dass wir der Karriere des Belästigers ebenso schaden, wie unserer eigenen, wenn wir uns wehren. Oder dann passiert einfach gar nichts. Beispiel gefällig? Als ich 18 war wurde ich von einem 42jährigen aufgefordert, mir noch 'eine handvoll' Liebhaber zu nehmen, bis er seine zweite Scheidung durch haben und er mich vom Markt nehmen würde. Da er genug klug war, mir das alles in einem handgeschriebenen Brief mitzuteilen, ging ich damit natürlich direkt zum Personalchef . Der schaute sich das Schreiben an und meinte, das sei schon "unglücklich", er werde mit dem Herrn reden. Daraufhin schickte er mich wieder an der Arbeitsplatz.

Die Konsequenz? Es gab einen Aktenvermerk für den 42jährigen und ich "durfte" bleiben.

Ist das ein krasses Beispiel für Belästigung? Wohl nicht. Angetatscht hat er mich ja nicht. In einem andern Job wollte mir ein glatzköpfiger, hässlicher Fettsack - verheiratet und Vater! - ein Lackkostüm schenken um mit mir an eine Fetischparty zu gehen. Ich weiss bis heute nicht, was ich gesagt oder getan habe, um das zu provozieren. Bin ich zum Personal gegangen? Nein. Wieso nicht? Wie frau mittlerweile wusste, bringt das eh nichts.

Ich vergesse auch nie die Bemerkung eines ältlichen Abteilungsleiters, völlig ohne Kontext:
"Gell, es spielt ja keine Rolle, in welchem Bett man übernachtet, Hauptsache, es ist warm?" WTF?

Womöglich denk sich jemand an dieser Stelle nun: "Die läuft denk immer in Minirock und hohen Stelzen herum!" Tu ich nicht. "Die flirtet sicher mit allem was Herzschlag hat!" Auch nicht. "Die hat sicher dutzende Liebschaften, sonst käme einer doch nicht auf sowas!" Auch falsch. Ich spreche bei der Arbeit schon lange nicht mehr über dergleichen. Schon gar nicht mit Männern. Dafür gelten Frauen wie wir dann schnell als Kühlschränke weil wir Privates von Geschäftlichem trennen oder unsere Arbeitskollegen nicht als Facebook Freunde adden. Dass wir dafür gute Gründe haben, vermutet keiner.


Also was sind die Strategien um sich nicht zum Opfer zu machen?


1.) Gelbe und rote Karten


Auch wenn es einen andern Anschein haben mag - wir Frauen rennen nicht beim ersten lüsternen Blick davon und schreien "Belästigung!" Wir schliessen gewiss auch nicht von einem Idioten auf alle Männer. Aber es ist halt so - die meisten Typen verstehen subtile Hinweise, dass sie zu weit gehen, schlicht nicht. Darum an alle Frauen: Seid deutlich. 

Wenn Dich einer zum Beispiel dauernd antatscht, dann gib ihm erstmal eine gelbe Karte. Sag ihm unter vier Augen: "Sorry, vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber du fasst mich ab und zu an. Das ist mir wirklich unangenehm. Bitte hör damit auf." Da man Dir später möglicherweise nicht glauben wird (ja, die Welt ist hart...) bitte jetzt auch gleich eine Kollegin, neutral zu beobachten, wie der Typ sich Dir gegenüber in Zukunft verhält. Du wirst später eventuell eine Zeugin brauchen.

Macht er nun trotz Warnung weiter, kriegt er die zweite gelbe Karte, per Email, wo Du ihm dasselbe nochmal sagst. Du wirst nämlich einen schriftlichen Beweis brauchen, wenn's zur roten Karte kommen sollte: Dem Gang zur Personalabteilung. Zum Chef dieses Arschs musst Du Dich nicht bemühen, v.a. nicht, wenn's auch ein Mann ist. Solche Sachen werden via HR Abteilung geregelt. Tipp: Ich würde heute darauf bestehen, dass der Typ gefeuert oder zumindest sofort versetzt wird. Warum? Eine normale Zusammenarbeit hat er jetzt verunmöglicht. Also hat er zu gehen, nicht Du. Bleibt er, erzählt er möglicherweise überall herum, was für eine empfindliche Kuh Du seist - am Schluss bist Du die Täterin und er das Opfer.


2.) Verbal gegenhalten



Privat gibt es sowas wie eine Personalabteilung ja leider nicht. ;) Der Gang zur Polizei bringt auch nur dann was, wenn Fehlverhalten nachgewiesen werden kann und selbst dann gilt es ja als Bagatelle. Ist frau privat Ziel sexistischer Übergriffen, sei das im Tram, im Fitness-Studio oder gar in der eigenen Familie, muss sie sich also selbst zu helfen wissen. In erster Linie müssen wir lernen, verbal gegenzuhalten. Nicht immer einfach.

Meiner Meinung nach gibt es zwei Typen von Männern, die Frauen belästigen: Der mit einem Manko und der, der an Megalomanie leidet. Der mit dem Manko merkt gar nicht, wie daneben er sich verhält, und dem Megalomaniac ist es einfach schnurz. Zum Glück sind 95% der Belästiger vom Manko-Typ.

Anstatt schlaue Sprüche auswendig zu lernen, bin ich für die InYourFace!-Variante. :) Wenn sich heute einer so einen Spruch (siehe oben) erlaubte, würde ich ihn laut und deutlich fragen, was er damit genau meint. Dann beharrlich schweigen und ihn gepflegt anstarren. Kommt nichts, Frage wiederholen. Die Manko-Typen werden dann soooooo klein, weil ihnen zum ersten Mal richtig bewusst wird, was für Idioten sie sind. Beim Grössenwahnsinnigen hilft das leider nicht, für den haben wir aber auch Massnahmen:

3.) Aufnahmen machen



Das iPhone hat so eine tolle Applikation vorinstalliert, sie nennt sich "Voice Memo". Ich kenne praktisch niemanden, der sie verwendet, dabei gibt es kaum etwas Praktischeres; Man kann das iPhone in einer Tasche, in der Mappe oder ganz offen auf den Tisch legen und das Gespräch einfach nebenbei aufzeichnen. Niemand merkt was, niemand kommt auf den Verdacht. Der Speicherplatz des Geräts genügt in der Regel für Aufnahmen von mehreren Stunden und die Tondatei kann später auf dem Computer abgespeichert werden.
Ich sage nicht, dass frau jedes Gespräch mitschneiden soll, aber wer sich mit einer modernen Frau anlegt, muss damit rechnen, dass sie mit modernen Mitteln zurückschlägt.

4.) Konsequent bleiben



Die meisten Frauen verzichten darauf, einen Belästiger anzuprangern, sei das beim Personal oder bei der Polizei. Wir haben Angst davor, uns unbeliebt zu machen, Angst, dass nichts dabei herauskommt ausser einem schlechten Image für uns selbst sowie eine unerträgliche Arbeitsatmosphäre.  Viele von uns kennen eine, die bald gefeuert oder gemobbt wurde, weil sie irgendeines Chefs Interesse nicht erwidert hat.

Darum ist Beweismaterial so wichtig. Je nach Unternehmen lohnt sich der Gang zum Personal oft aber auch dann nicht, weil die überfordert oder desinteressiert sind (siehe meine Erfahrung in einem amerikanischen, 8000 Leute-starken Konzern...). In dem Fall sollte frau halt direkt zur Polizei. Wenn wir Frauen nämlich nicht konsequent durchgreifen, wird es nie aufhören und sexuelle Belästigung ist für die, die darunter leiden, einfach nie eine Bagatelle.

Wir sollten auch weitergehen und eingreifen, wenn jemand anderes belästigt oder gemobbt wird, auch Männer.

Und last but not least tun Unternehmen schon sehr viel, wenn sie allen Mitarbeitenden Infobroschüren zur internen Policy bezüglich Sexueller Belästigung abgeben. Es sensibilisiert, Männer wie Frauen, und das ist häufig schon die halbe Miete.



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